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„Wir wollen ein globales System für grünen Wasserstoff mittels LOHC schaffen“

Der Weltmarktführer bei LOHC-Technologien kommt aus Erlangen. Im Interview spricht Dr. Daniel Teichmann, Gründer und Geschäftsführer von Hydrogenious LOHC Technologies, über das Momentum im „Wasserstoffhaus“ und seine Bremser, über strategische Finanzierung und industrielle Skalierung, sowie die Metropolregion Erlangen-Nürnberg als Wissens- und Innovationszentrum für verschiedene Wasserstofftechnologien.
Dr. Daniel Teichmann, Gründer und Geschäftsführer von Hydrogenious LOHC Technologies; Copyright: Hydrogenious

Herr Dr. Teichmann, im Vorfeld zum 1. Hydrogen Dialogue sagten sie „Die Wasserstoffstrategie muss nun konsequent mit Leben gefüllt werden“. Zwei Jahre später – wieviel Luft ist noch nach oben?

In den letzten zwei Jahren hat sich enorm viel getan. Das merken wir an dem stark gestiegenen Interesse am Thema Wasserstoff aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Medien und Gesellschaft. Genau wie unsere Projekte haben sich auch viele Initiativen in Deutschland weiterentwickelt. Ich denke da etwa an die H2Global Stiftung oder die Initiative GET H2. Aber auch auf internationaler Ebene entstehen mehr und mehr Projekte für die Grünwasserstoffproduktion und Etablierung nachhaltiger Lieferketten. Es ist von zentraler Bedeutung, erste große Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen. Nur so können das notwendige Wissen und Erfahrungen gesammelt werden, um schlüsselfertige Technologien und Lösungen kostengünstig anzubieten, um den großen Markthochlauf für Grünwasserstoff zu ermöglichen. Es ist also durchaus Leben in das „Wasserstoffhaus“ eingezogen.

Gleichzeitig sind jedoch viele zentrale regulatorische Aspekte gerade auch auf EU-Ebene noch ungeklärt, und die daraus resultierende Unsicherheit bremst das aktuelle Momentum. So gibt es nach wie vor keine geltende Regulatorik, die beispielsweise die Definition von grünem Wasserstoff oder die Incentivierung der Verwendung von grünem Wasserstoff für Verbraucher vollumfänglich regelt. Gleichzeitig zeichnen sich deutlich strengere regulatorische Vorgaben an die Produktionsbedingungen von grünem Wasserstoff ab, als dies beispielsweise bei Strom und dessen Einsatz in der Elektromobilität und bei Wärmepumpen der Fall ist. Dies alles sorgt für Unsicherheit. Umso mehr gilt es jetzt, den positiven Rückenwind mitzunehmen und möglichst schnell weitere Etagen des Wasserstoffhauses mit sinnvollen Regelungen zu befüllen, um daraus ein funktionierendes Ökosystem zu schaffen.

Sie haben Ihre LOHC-Systeme schon nach Europa und in die USA gebracht. Wie sieht es mit der Internationalisierung im Nahen Osten, Asien-Pazifik und anderen Regionen aus?

Unser Ziel ist es, ein globales Ökosystem für grünen Wasserstoff mittels LOHC zu schaffen. Für den Aufbau entsprechender großvolumiger Import-Lieferketten blicken wir in alle Winkel der Erde, um Potenziale zu identifizieren und zu heben. Erst Ende letzten Jahres haben wir beispielsweise ein Joint Venture gemeinsam mit Emirates Specialized Contracting & Oilfield Services (ESCO) im Nahen Osten gegründet. Diese neue Gesellschaft, Hydrogenious LOHC Emirates, soll grünen Wasserstoff, der in der Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate äußerst effizient produziert werden kann, künftig im großen Stil zu den Abnehmern in Europa bringen. Ein erstes Projekt zusammen mit ADNOC, Uniper und Jera ist bereits angekündigt, weitere sind in Entwicklung.

Mit ihrer bahnbrechenden LOHC-Technologie (Wasserstoff wird an eine organische Trägerflüssigkeit gebunden) sind sie Weltmarktführer. Stichwort Finanzierung: Welche strategischen Investoren sind sozusagen bisher „auf den Zug aufgesprungen“?

Im Laufe unseres nun fast zehnjährigen Bestehens konnten wir zahlreiche Investoren für unsere Sache gewinnen. In der letzten Finanzierungsrunde Mitte 2021 haben wir beispielsweise 50 Millionen Euro eingeworben. Dieses Geld setzen wir heute vor allem für die industrielle Skalierung und Kommerzialisierung unserer disruptiven LOHC-Technologie ein. Bei der Auswahl der Investoren ist uns wichtig, nicht nur reine Kapitalgeber mit an Bord zu haben, sondern Partnerschaften zu knüpfen, die uns auch langfristig strategisch weiterbringen. Royal Vopak als Distributor für Öl, Gas und Chemieprodukte besitzt beispielsweise für uns perspektivisch äußerst wertvolle Hafenflächen für den Aufbau von LOHC-Hubs. Jera bringt umfangreiches Know-how aus dem Energiemarkt ein, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch bei den weiteren Investoren liegt der strategische Mehrwert teils deutlich auf der Hand: AP Ventures, Temasek, Chevron, Hyundai, Mitsubishi Corporation, Covestro, Pavilion Capital und Winkelmann Group.

Stichwort industrielle Skalierung: Welche konkreten Pläne verfolgen Sie in diesem Bereich?

Wir befinden uns aktuell in einer sehr spannenden Phase. Unser Ziel ist es, unsere Technologie und konkret die Kapazität kommerzieller Systeme auf industrielle Größenordnungen von mehreren Tonnen pro Tag zu skalieren. Dies ist für den Aufbau großvolumiger Wasserstoffimportrouten unerlässlich. Wir sind bereits in der Bauantragsphase für unser Projekt im Chempark Dormagen bei Köln. Hierbei geht es um den Bau unserer ersten LOHC-Anlage im industriellen Maßstab mit einer Einspeicherkapazität von bis zu 2.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Diese wird dann die größte LOHC-Anlage der Welt sein. Daran schließen sich weitere Skalierungsschritte auf die nächsthöheren Volumina an – das vorhin erwähnte Projekt mit ADNOC ist eines davon, aber auch unsere Important Projects of Common European Interest (IPCEI) zahlen auf diese Strategie ein.

Die Folgen des Krieges in der Ukraine und die sich zuspitzende Klimakrise machen die Wende hin zu den Erneuerbaren dringlicher denn je. Kann das eine besondere Schubkraft entwickeln – speziell auch für Wasserstoff?

Definitiv. Für die konsequente Dekarbonisierung und unabhängige Energieversorgung ist grüner Wasserstoff als Energieträger ein entscheidendes Puzzlestück. Speziell der Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig es ist, innerhalb von Europa und darüber hinaus noch intensiver an einem Strang zu ziehen. Die EU hat ihr Ziele für Wasserstoffimporte bis 2030 in Folge des Krieges mehr als verdoppelt. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, ist jedoch schnelles Handeln in Bezug auf die offenen zentralen Fragestellungen unabdingbar. Es muss sichergestellt werden, dass wir die notwendigen globalen Energiepartnerschaften und -wertschöpfungsketten, die für eine nachhaltige Wasserstoff- und somit Energieversorgung essenziell sind, möglichst schnell formen können. Dabei kommt LOHC als Schlüsseltechnologie für einen einfachen, flexiblen und sicheren Wasserstofftransport auf der ganzen Welt eine besondere Rolle zu.

Zurück ins beschauliche Erlangen, dem Sitz Ihres Unternehmens, und in die Metropolregion Erlangen-Nürnberg. Welche Kräfte wirken von hier aus in die Wasserstoff-Welt?

Die Metropolregion Erlangen-Nürnberg und speziell die Friedrich-Alexander-Universität als Wiege der LOHC-Technologie ist für uns natürlich etwas ganz Besonderes. Aber auch darüber hinaus hat sich die Region zu einem regelrechten Wissens- und Innovationszentrum für verschiedenste Wasserstofftechnologien entwickelt. Beweis dafür sind die zahlreichen namhaften Unternehmen wie Siemens, Bosch oder Schaeffler, die im Wasserstoff-Bereich tätig sind. Besonders hervorzuheben sind Forschungseinrichtungen wie das Forschungszentrum Jülich oder das Helmholtz Institut für Erneuerbare Energie (HI ERN). In diesen Netzwerken pflegen auch wir intensiv Partnerschaften, initiieren Projekte und sorgen für einen engen Wissensaustausch, um die Mission Dekarbonisierung gemeinsam anzugehen. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Erst im Juli durfte die Stadt Erlangen die Eröffnung der weltweit ersten Wasserstofftankstelle feiern, die unter anderem durch LOHC mit Grünwasserstoff versorgt wird. Das Projekt war eine Zusammenarbeit zwischen H2Mobility, Siemens und Hydrogenious.

            
Release Box Wasserstofftankstelle Erlangen, Außen- und Innenansicht
Copyright: Hydrogenious

Am 21. und 22. September findet der Hydrogen Dialogue erstmals auch als Präsenzveranstaltung statt. Werden Sie vor Ort sein und welchen Unterschied macht das?

Nachdem Events jahrelang ausschließlich digital stattfinden konnten, ist unser komplettes Team hungrig nach Live-Veranstaltungen. Online-Konferenzen können die Stimmung und den Enthusiasmus, der im Gespräch Face-to-Face aufkommt, einfach nicht ersetzen. Als gut vernetztes Unternehmen aus der Metropolregion ist es für uns daher selbstverständlich, mit einem eigenen Stand in Nürnberg vor Ort zu sein und uns am Vortragsprogramm zum Thema Importstrategien zu beteiligen. Wir freuen uns darauf, uns mit bestehenden Partnern auszutauschen, zu networken und neue Interessenten für unsere LOHC-Technologie zu begeistern.

Vielen Dank für das Interview


Veranstaltungstipp

Am 22. September 2022 von 10:40 bis 11:00 Uhr spricht Dr. Andreas Lehmann, Head of Strategy & Implementation bei Hydrogenious LOHC Technnologies, auf dem HYDROGEN DIALOGUE – Summit & Expo 2022. Vortragsthema: Aufbau globaler Wasserstoff-Wertschöpfungsketten mit LOHC.

Das gesamte Programm des HYDROGEN DIALOGUE – Summit & Expo 2022 finden Sie wie gewohnt unter hydrogendialogue.com/veranstaltungsprogramm

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