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„Die Wasserstoffstrategie muss nun konsequent mit Leben gefüllt werden“

Mit seiner LOHC-Technologie (Wasserstoff wird an eine organische Trägerflüssigkeit gebunden) ist das Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC Technologies Weltmarktführer. Im Interview spricht Geschäftsführer Dr. Daniel Teichmann über die Machbarkeit einer globalen grünen Wasserstoffversorgung, die ersten kommerziellen Anlagen in den USA und in der EU, die Standortvorteile der Metropolregion Nürnberg gerade auch beim Thema Wasserstoff und über das „gute Tandem“ NürnbergMesse und Zentrum Wasserstoff.Bayern, wenn es um die Vernetzung der relevanten Stakeholder geht.
HYDROGENIOUS LOHC TECHNOLOGIES GmbH Interview HYDROGEN DIALOGUE & NUEdialog mit Dr. Daniel Teichmann

Herr Dr. Teichmann, Hydrogenious LOHC Technologies ist Weltmarktführer in der LOHC-Technologie. Diese verspricht die sichere und einfache Handhabung von Wasserstoff. Wie funktioniert das Prinzip?

Teichmann: Die Schlüsselkomponente unseres Konzepts ist ein organisches Öl, der so genannte Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC). Das Prinzip unserer Technologie und Herz unserer Anlagen besteht darin, Wasserstoff an dieses LOHC durch Hydrierung chemisch zu binden und bei Bedarf durch Dehydrierung freizusetzen. So ist beim Transport von LOHC kein elementarer Wasserstoff vorhanden.

Die Vorteile sind überzeugend, weil die bestehende Infrastruktur für fossile Brennstoffe, d.h. beispielsweise Tanklaster und Tankschiffe für den Transport sowie unterirdische Tanks für die Lagerung von LOHC und damit Wasserstoff genutzt werden kann. Das garantiert niedrige Kosten und eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

Das LOHC kann in einem Kreislauf mehrere hunderte Male be- und entladen werden. Man kann sich das LOHC wie eine flüssige Wasserstoffpfandflasche oder Wasserstoffbatterie vorstellen. Ist die maximale Zyklenzahl erreicht, kann das Öl wiederaufgearbeitet werden.

Analyse des Wasserstoffträgermaterials LOHC.
Foto: Hydrogenious LOHC Technologies

Und in welchen Bereichen lässt sie sich anwenden?

Teichmann: Mit unserer LOHC-Technologie wird Sektorkopplung und eine globale grüne Wasserstoffversorgung in den erforderlichen hohen Volumina möglich. Auch weiter entfernte Wasserstoffquellen können so problemlos erschlossen werden, d.h. Wasserstoffimporte aus Ländern, wo die Wasserstofferzeugung günstiger ist, werden so praktikabel.

Der Hydrogen Council prognostiziert für das Jahr 2050 einen Wasserstoffbedarf von 545 Millionen Tonnen. Diese Mengen können Gasnetze – trotz eines angedachten und von den Fernleitungsnetzbetreibern propagierten Ausbaus – nicht allein bewerkstelligen. Daher entwickeln wir mit unseren Partnern Großanlagen, die mehrere Tonnen Wasserstoff pro Tag speichern bzw. bereitstellen können. Mit solchen Mengen können wir eine sichere und effiziente Versorgung von Wasserstofftankstellen und industriellen Anwendungen gewährleisten und gleichzeitig kostengünstige, flexible Lieferketten anbieten.

Unsere Technologie kommt dort zum Einsatz, wo Wasserstoff transportiert und gespeichert wird. Der Fokus liegt für uns nicht auf einem bestimmten Sektor, sondern auf der Wasserstofflogistik zur Belieferung der unterschiedlichsten Branchen. Die Hauptanwendung von Wasserstoff heute ist sein Einsatz als Industriegas, etwa in der Glasherstellung, Metallverarbeitung, Fetthärtung, Düngermittelherstellung und in Raffinerieprozessen. Darüber hinaus stellen Mobilitätsanwendungen ein enormes Wachstumsfeld für Wasserstoff dar.

Wo werden Ihre LOHC-Systeme bereits in der Praxis erprobt?

Teichmann: Unsere LOHC-Technologie befindet sich bereits in der industriellen Umsetzungsphase. Wir haben unsere ersten kommerziellen Anlagen in die USA ausgeliefert. In Finnland sind Anlagen im Rahmen des EU-Projekts HySTOC im Einsatz. Nächstes Jahr kommt eine Anlage zum Freisetzen von Wasserstoff, eine ReleaseBOX, auch nach Erlangen, an eine Wasserstofftankstelle. Dafür werden wir das LOHC in-house mit grünem Wasserstoff beladen und zur Tankstelle transportieren.

Der nächste große Schritt ist die Skalierung der Technologie für den großvolumigen Einsatz. Umgesetzt wird diese Strategie in den nächsten zwei Jahren, unter anderem auch im Rahmen von EU-weiten Vorhaben. Hier sind wir mit unserer LOHC-Schlüsseltechnologie gleich in mehreren Projekten eingebunden. Im Projekt „Green Crane“ steht etwa der Wasserstofftransport von Spanien nach Zentraleuropa im Mittelpunkt. Im Projekt „Blue Danube“ soll grüner Wasserstoff, der in Bulgarien und Rumänien per Windkraft produziert wurde, im LOHC gespeichert und über die Donau zu Abnehmern in Österreich und Deutschland transportiert werden.

LOHC StorageBOX für das HySTOC HRS Projekt in Kokkola (Finnland).
Foto: Hydrogenious LOHC Technologies

Nationale Wasserstoffstrategie, Wasserstoffbündnis Bayern – es passiert etwas. Ist die öffentliche Akzeptanz von Wasserstoff im Rahmen der längst fälligen Dekarbonisierung Ihrer Meinung nach ausreichend vorhanden?

Teichmann: In der Summe halte ich die Nationale Wasserstoffstrategie für gelungen. Die Bundesregierung hat richtig erkannt, dass Wasserstoff für die Dekarbonisierung gerade in einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland unabdingbar ist und sie hat auch klargestellt, dass Wasserstoff schwerpunktmäßig nicht in Deutschland produziert werden wird, sondern importiert werden muss. Hierbei wird bereits für 2030 eine Importquote von 80 Prozent angestrebt.

Die Akzeptanz von Wasserstoff wird damit bei den politischen Entscheidern nicht mehr in Frage gestellt. Die Wasserstoffstrategie muss nun konsequent mit Leben gefüllt werden, mit marktorientierten regulatorischen Maßnahmen, technologieoffenen Förderinstrumenten und echter europäischer bzw. internationaler Zusammenarbeit zum Aufbau funktionsfähiger, wirtschaftlicher Lieferketten. Über erfolgreiche Sektorkopplungsprojekte, die beweisen, dass grüner Wasserstoff einfach, sicher und effizient gehandelt werden kann, wird seine Akzeptanz als alternativer Energieträger, der einen ganz neuen prosperierenden Wirtschaftszweig begründet, noch weiter steigen.

Können Deutschland, aber speziell auch Bayern und die Metropolregion Nürnberg, beim Thema Wasserstoff eine Vorreiterrolle einnehmen?

Teichmann: Deutschland kann mit einer zügigen Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie weltweit eine Führungsrolle einnehmen. Bayern hat angesichts zahlreicher, hier beheimateter Firmen sowie umfangreicher politischer Unterstützung gute Voraussetzungen, ein starker Player innerhalb Deutschlands und der EU für Wasserstofftechnologien zu sein. Gerade mit der Schaffung des Zentrum Wasserstoff.Bayern in Nürnberg ist diese Metropolregion sehr gut aufgestellt, alle relevanten Akteure in Bayern an einen Tisch zu bringen und die Entwicklung zu fokussieren.

Beim Know-how haben wir ebenfalls Vorteile, die es auszuspielen gilt. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist die Basis dieses Know-hows. Schließlich wird dort seit langer Zeit an Wasserstoffanwendungen und letzten Endes auch an der LOHC-Technologie geforscht. In Erlangen ansässig ist ebenfalls das HI-ERN Institut, welches in Deutschland eines der führenden Institute im Bereich der Wasserstoffspeichertechnologien ist.

Industriell sind wir in der Region ebenfalls sehr gut aufgestellt. Allein in Erlangen gibt es mit großen Firmen wie Siemens und Schaeffler große Wasserstofftechnologiehersteller und mit Hydrogenious LOHC Technologies ein innovatives junges Unternehmen, das eine disruptive Technologie für den Wasserstoffbereich bereitstellt.

Am 18. November bringt der „HYDROGEN DIALOGUE & NUEdialog“ Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf dem Messegelände Nürnberg zusammen. Was sind Ihre Erwartungen an diese Veranstaltung?

Teichmann: Ich hoffe, dass der HYDROGEN DIALOGUE erfolgreich alle Bereiche der Wasserstoffwertschöpfungskette miteinander verbindet. Ich denke, dass die NürnbergMesse und das Zentrum Wasserstoff.Bayern ein sehr gutes Tandem sind, um den Rahmen für die Vernetzung aller relevanten Stakeholder aus Industrie, Politik und Wissenschaft vorzugeben. Es liegt nun bei den teilnehmenden Unternehmen und Wasserstoff-Stakeholdern, diesen Rahmen mit Inhalt zu füllen und zur Vernetzung auch über die Veranstaltung hinaus zu nutzen. Denn nur gemeinsam können wir Wasserstoff zu einem der Schlüsselenergieträger einer grünen Zukunft machen.

Vielen Dank für das Interview

Aus der Wasserstoffgemeinschaft.

Für die Wasserstoffgemeinschaft.